Spies I

1. Spies, Bernhard, Kaufmann	Mb 587
	geb. 14.3.1883 in Biblis
	Sohn von Karl Spies und Helene geb. Bacharach
	verheiratet seit 28.2.1916 mit

2. Spies, Else geb. Samuel	Mb 588
	geb. 3.9.1888 in Stolp/Pommern

Kinder:

3. Spies, Gerhard	Mb 355
	geb. 31.12.1916 in Worms

4. Spies, Heinz		Mb 356
	geb. 27.5.1918 in Worms

5. Spies, Hella Helene
	geb. 11.11.1919 in Worms

Familie Bernhard Spies wohnte seit 1916 Huttenstraße 9, im eigenen Haus, seit 1927 Köhlerstraße 10, im eigenen Haus, ab 4.5.1939 Kriemhildenstraße 20.

Bernhard Spies, der 1899 schon einmal vorübergehend in der Schlossergasse 22 gewohnt hatte, ließ sich endgültig 1913 in Worms als Kaufmann nieder.

Er wohnte zuerst Gewerbeschulstraße 8, 1914 Burkhardstraße 17. Am ersten Weltkrieg nahm er als Unteroffizier teil und erlitt eine Beinverletzung.

Seitdem war ein Bein kürzer als das andere und er wurde aus dem Militärdienst entlassen. In seinem Haus Huttenstraße 9, das er bei seiner Eheschließung 1916 bezog, stellte er einige Jahre lang ein Blutstillungsmittel her, bevor er 1920 seine Ledergroßhandlung in der Dalbergstraße 4 gründete. Mitinhaber war sein Bruder Sally Spies (s. Spies II) und der Halbbruder der beiden, Leo Spies, der in Frankfurt wohnte.

Bernhard Spies war von 1933 - 1939 Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinde Worms und musste in dieser Eigenschaft am 10.11.1938 miterleben, wie die 900 Jahre alte Wormser Synagoge zerstört wurde. Noch am gleichen Tag wurde er verhaftet und mit insgesamt 87 jüdischen Männern aus Worms und Umgebung ins KZ Buchenwald verbracht. Auch seine Frau Else Spies wurde damals vorübergehend in Worms inhaftiert, vielleicht weil sie an der brennenden Synagoge versuchte, Kultgegenstände und Wertsachen zu retten. Inzwischen wurde ihre Wohnung in der Köhlerstraße 10 total verwüstet.

Auch Else Spies hat in der Gemeinde eine bedeutende Rolle gespielt. Sie war besonders nach 1933 vielfältig ehrenamtlich tätig, sie gründete die Zionistische Ortsgruppe, die Hechaluz, in Worms, und verhalf mit Rat und Tat über jüdische Hilfsorganisationen Wormser Familien zur Auswanderung.

Nachdem Bernhard Spies aus der KZ-Haft Buchenwald zurückgekehrt war, bemühten sich auch die Eheleute Bernhard und Else Spies um Auswanderung in die USA. Die Emigration wurde ermöglicht durch Bernhard Spies's Bruder Moritz (Mauricia), der in Chile lebte und die Reise in Dollars bezahlte. Vorher mussten noch zwangsweise die Häuser verkauft werden, aber über das Geld durfte nicht frei verfügt werden.

Der Lift mit der letzten Habe, die nach Kristallnacht und Beschlagnahme noch übrig war, stand fertig gepackt bei der Spedition Schuch, ist aber von Worms nie abgegangen. So kamen die Eheleute Spies mit 2 Koffern in den USA an. Im November 1939, nachdem der Krieg schon begonnen hatte, waren sie über Holland ausgereist.

Auch in der Emigration kümmerte sich Frau Else Spies weiter um die Not der in Deutschland Zurückgebliebenen. 1940 gründete sie ein Hilfskomitee der Wormser Juden zusammen mit dem Rabbiner Dr. Helmut Frank zur Hilfe der in das südfranzösische Lager Gurs deportierten Wormser Juden (s. z.B. Dinkelmann II, Dosenheimer, Krämer, Müller, Sondheimer).

Bernhard Spies starb bald nach dem Krieg, seine Frau hat in den Nachkriegsjahren Worms öfter besucht.

Der älteste Sohn Gerhard meldete sich am 29.4.1936 ab nach Zürich. Er studierte in Bern, kehrte aber noch zweimal nach Worms zurück, um den Pass verlängern zu lassen. Von der Schweiz aus ging er nach Italien, doch als sich auch im Faschismus antisemitische Ansätze zeigten, hielt er sich ein halbes Jahr illegal in Paris auf und studierte an der Sorbonne. Im August 1939, gerade noch rechtzeitig vor Kriegsbeginn, erhielt er sein Visum und konnte am 10.9. Frankreich nach den USA verlassen. Am 17.9.1939 kam sein Schiff, die "Champlain" in New York an, auf der Rückreise wurde sie versenkt.

Gerhard Spies lebt verheiratet in New York. Er besucht Worms regelmäßig und hat viele Kontakte in seiner alten Heimat.

Der zweite Sohn, Heinz Spies, war vom 24.11.1936 bis 5.8. 1938 in Torino (Turin) in Italien. Er studierte dort an der Universität. Auch er kehrte noch einmal nach Worms zurück, aber nur um am 18.9.1939 als erster der Familie nach New York zu emigrieren. Er lebt mit seiner Familie in Centerport, Long Island.

Tochter Hella war am 29.4.1936 nach München abgemeldet worden, im Dezember 1937 kam sie von Berlin nach Worms zurück. Am 9.5.1939 meldete sie sich ab nach Urfeld b,. Köln, wo sie sich auf einem landwirtschaftlichen Lehrgang für die Auswanderung nach Palästina vorbereitete. Vom 3.1.1940 bis 1.2.1940 wohnte sie noch einmal in Worms bei ihrer Tante Dr. Elisabeth Spies, Lutherplatz 5 (s. Spies III). Obwohl schon länger als ein Jahr Krieg war, konnte Hella Spies im August 1940 Deutschland noch verlassen. Donauabwärts bis ans Schwarze Meer, dann durch die Meerengen und die Ägäis gelangte sie im November 1940 schließlich in die Bucht von Haifa, hier aber verwehrten die britischen Mandatsbehörden den Ankömmlingen die Einreise nach Palästina. Sie sollten auf der "Patria" nach Mauritius abgeschoben werden.

Da dieses Schiff aber am 25.11.1940 explodierte und sank und viele dabei umkamen, durften die Überlebenden schließlich bleiben. Zu ihnen gehörte Hella Spies. Nach einem schlimmen Jahr im Internierungslager Atlith b. Haifa fand sie endgültige Aufnahme in Palästina, das ihr im heutigen Israel zur neuen Heimat wurde. Sie lebt in Jerusalem.

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Quellen: Adreßbücher, KEM, Mb, VerhVZ 10.11.1938, Judenakten, mündliche Angaben von Frau Hella Spies, Jerusalem, Brief von Mr. Gerd Spies